Bürgerdialog über Grenzen hinweg

Gesellschaft und Zusammenleben

Mehrere Monate gab es zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz wegen der Corona-Pandemie sehr harte Einreisebestimmungen. Welche Auswirkungen die Corona-Zeit, insbesondere die für viele Menschen erlebten Grenzschließungen, für die trinationale Region und seine Bevölkerung hatte, wurde am 12. Oktober 2020 in einem digitalen Bürgerdialog mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den drei Ländern erörtert.

Organisiert wurde der digitale Bürgerdialog vom Staatsministerium Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Trinationalen Eurodistrict Basel, der Regio Basiliensis und der Bertelsmann-Stiftung. Neben den politischen Vertreterinnen und Vertretern aus Baden-Württemberg, der Nordwestschweiz und dem Elsass nahmen insgesamt 60 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus den drei Ländern an der Veranstaltung teil.

Grenzregion krisentauglicher machen

Ziel des Bürgerdialogs war es einerseits zu erfahren, wie die Menschen in der Region die Zeit erlebt hatten und darüber hinaus gemeinsam mit den Betroffenen zu erarbeiten, was für die zukünftige Zusammenarbeit und den Zusammenhalt in der Grenzregion besonders wichtig ist. Im Laufe des Abends wurden im Dialog mit zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern Ideen entwickelt, um die Grenzregion für die Zukunft „krisentauglicher“ zu machen. Die Lörracher Landrätin Marion Dammann, Präsidentin des Eurodistricts, betonte, dass die Ergebnisse des Bürgerdialogs anschließend von der Politik aufgegriffen würden und auch in die Verhandlungen mit den nationalen Vertreterinnen und Vertretern in den entsprechenden grenzüberschreitenden Ausschüssen einflössen.

Da sich der Trinationale Eurodistrict Basel als „Sprachrohr“ der Bürgerinnen und Bürger der Region verstehe, sei es besonders wichtig zu erfahren, was die Bevölkerung vor Ort bewege und was diese sich wünsche. Nur im gemeinsamen Dialog, so Dammann, könne eine Identifikation der Bevölkerung mit der Region über die Landesgrenzen hinweg funktionieren. Die Veranstaltung verstünde sich zudem als ein wichtiger Meilenstein der Strategie 2030 des Trinationalen Eurodistricts, in dessen Rahmen künftig ähnliche online Prozesse folgen würden, in denen herausgearbeitet werde, was getan werden müsse, um die Zusammenarbeit in der trinationalen Region besser an den Bedürfnissen der Bevölkerung auszurichten.

Über das Zusammenleben austauschen

In diesem Zusammenhang betonte Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in der Regierung von Winfried Kretschmann, die Bedeutung solcher Beteiligungsformate. Gerade in der momentanen Situation seien Bürgerdialoge ein wichtiger Baustein der „Politik des Gehörtwerdens“. Ziel der zufälligen Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sei es, auch solche Personen zu erreichen, die sich einerseits nicht zuvor schon in Vereinen, einer Partei oder Gewerkschaften organisiert haben und sich andererseits eventuell noch nicht so intensiv mit grenzüberschreitenden Fragen beschäftigt haben, gleichzeitig aber ihre Alltagserfahrungen mitbringen.

Die 60 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz konnten sich zunächst in sieben Kleingruppen über ihre unterschiedlichen Erfahrungen hinsichtlich des Zusammenlebens in der 3-Länderregion während der Corona-Zeit austauschen. Anschließend wurden konkrete Vorschläge, Ideen und Wünsche für die Zukunft gesammelt, um aus der Corona Pandemie zu lernen und um Empfehlungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erarbeiten.

Veränderungen in vielen Lebensbereichen

In der ersten Phase der Kleingruppenarbeit wurde deutlich, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Corona-Zeit mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen hatten. Die Bandbreite der berichteten Erlebnisse reichte von Themen, wie fehlende Kinderbetreuung, das Arbeiten im Homeoffice oder der Wegfall sozialer Kontakte bis hin zu wirtschaftlich einschneidenden Erlebnissen, wie Existenzängsten. Die Zeit während der Corona-Pandemie und vor allem die Grenzschließungen hätten Veränderung in vielen Lebensbereichen bedeutet. Nicht nur das Arbeitsleben habe sich stark verändert, auch im Privatleben müsse man sich neu orientieren und motivieren. Fehlende soziale Kontakte, Einsamkeit, ein Gefühl der „Leere“ und die Angst vor der Krankreit selbst, waren hier besonders einschlägig.

Die Berichte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer machten deutlich, dass zwischen den drei Ländern viele Alltagskontakte über die Grenzen hinweg bestünden und die Zeit der Grenzschließung ein Gefühl der „Unfreiheit“ hervorgerufen habe. Man kenne die Grenze von früher, heute gehöre der Grenzübertritt jedoch zum Lebensalltag. Zudem sei in der Corona-Zeit vielen bewusst geworden, was die trinationale Region eigentlich ausmache und wie vielfältig die Region doch sei. Diese Vielfalt habe der Bevölkerung gefehlt, besonders während der Grenzschließungen. Schwierigkeiten hatten die Bürgerinnen und Bürger zudem mit den unterschiedlichen Regelungen innerhalb der drei Länder sowie mit der Vielfalt an verschiedenen Informationen.

Konkrete Empfehlungen und Vorschläge erarbeitet

Der Austausch der Erlebnisse machte deutlich, dass die Situation noch lange nicht vorbei ist. Es handle sich nicht um einen Rückblick, vielmehr stecke man mitten drin in der Pandemie. Um künftig besser auf die Bedürfnisse der Bevölkerung in der Region einzugehen formulierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der zweiten Phase der Kleingruppenarbeit Forderungen, die anschließend im Plenum bekanntgegeben und gesammelt wurden. Dabei kam aus verschiedenen Kleingruppen der Wunsch nach einer koordinierten Handhabung der Pandemie über die Grenzen hinweg, mit einheitlichen Regelungen und klareren grenzüberschreitenden Informationen.

Angeregt wurde an dieser Stelle die Idee einer trinationalen Plattform. Eine weitere Forderung seitens der Bürgerinnen und Bürger war die Anregung der grenzüberschreitenden Kooperation und Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich. Durch eine bessere Vernetzung der Krankenhäuser in Deutschland, Frankreich und der Schweiz könne beispielsweise ein Austausch des Gesundheitspersonals realisiert werden. Wichtig war mehreren Gruppen zudem, dass bei einer erneuten Grenzschließung klare Regeln hinsichtlich des grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehrs entwickelt werden müssten.

Eine gemeinsame Identität entwickelt

Doch die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger verdeutlichen vor allem eins: Die Trinationale Region Basel solle auch auf den nationalen Ebenen als eine über die Grenzen hinweg integrierte und zusammengewachsene Region wahrgenommen werden. Mike Keller, Schweizer Vizepräsident im Eurodistrict und Binninger Gemeindepräsident nahm diese Botschaft als Kernaussage mit aus der Veranstaltung: „Unsere Region besteht nicht aus drei nationalen Grenzregionen, sondern aus einer einzigen trinationalen Region.“ Die Wochen des „lock-down“ hätten gezeigt, so Keller, wie selbstverständlich das grenzüberschreitende Miteinander sei. Es habe gezeigt, man bewege sich in der Region, als gäbe es keine Barrieren. Keller sei sich sicher, dass die Ergebnisse im direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern Veränderungen mit sich bringen werden, zwar langsam, aber der Trinationale Eurodistrict werde sich dafür einsetzen. Der Trinationale Bürgerdialog stelle, so Keller, einen Höhepunkt des Trinationalen Eurodistrict Basel dar und macht deutlich, dass sich in der Region eine gemeinsame Identität entwickelt hat, die an den Landesgrenzen nicht Halt macht.