Häufig gestellte Fragen (FAQ)


1. Was ist ein Bürgerrat? Was ist der Unterschied zum Bürgerforum?

In einem Bürgerrat beraten zufällig ausgewählte Teilnehmende über eine Fragestellung oder ein Projekt. Sie erarbeiten Empfehlungen oder Ergebnisse, die einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und politischen Entscheidungsträgern überreicht werden. Das Konzept in Baden-Württemberg orientiert sich hier an dem Bürgergutachten durch Planungszelle. Die Ergebnisse des Bürgerrats werden wie ein Gutachten behandelt, das in den weiteren Entscheidungs- und Planungsprozess eingereicht wird. In Baden-Württemberg werden Bürgerräte auf Landesebene häufig als Bürgerforen oder Bürgerdialoge bezeichnet. Im Gegensatz dazu sind in Vorarlberg hierfür spezielle Formate vorgesehen: Im Bürgercafé werden die Ergebnisse des Bürgerrats der Öffentlichkeit (also zum Beispiel interessierten Bürgerinnen und Bürgern) vorgestellt und angereichert. Sodann kommen die Ergebnisse in den sogenannten Resonanzraum, in dem Politik und Verwaltung vertreten sind.

2. Wann kann ein Bürgerrat in Baden-Württemberg einberufen werden?

Im österreichischen Vorarlberg können 1.000 Bürgerinnen und Bürger einen Bürgerrat „von unten“ einberufen (Vorarlberger Landesverfassung, Richtlinie). Eine vergleichbare Regelung gibt es in Baden-Württemberg nicht. In einigen Gemeinden sehen Beteiligungssatzungen oder –leitlinien vor, dass Bürgerinnen und Bürger ein Beteiligungsverfahren initiieren dürfen. Grundsätzlich kann ein Beteiligungsverfahren in einer Kommune per Einwohnerantrag beantragt werden. Die Entscheidung darüber liegt beim Gemeinderat. Auf Landesebene werden Bürgerräte/Bürgerforen von den zuständigen Stellen initiiert. Sie dienen der Politik-Beratung und sind insofern an Fokus-Gruppen angelehnt.

3. Wie werden die Teilnehmenden ausgewählt?

Die Teilnehmenden werden unter Einhaltung der gültigen Datenschutzbestimmungen zufällig über das Melderegister von Kommunen oder per Telefonakquise ausgewählt. Damit die Bevölkerung möglichst gut in einem Bürgerrat repräsentiert ist, werden melderechtliche Merkmale wie Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit berücksichtigt. Bei landesweiten Vorhaben wird auf eine gleichmäßige Verteilung über die vier Regierungsbezirke geachtet. Bei der Rückmeldung der Teilnehmenden können noch weitere soziodemografische Merkmale wie Bildungsabschlüsse oder ähnliches mit abgefragt werden. Je nach Themenstellung sind weitere Auswahlkriterien sinnvoll. Die Teilnahme an einem Bürgerrat ist freiwillig.

4. Wie läuft ein Bürgerrat genau ab?

Ein Bürgerrat wird über das Beteiligungsportal online vorbereitet. Dort wird auch eine Themenlandkarte veröffentlicht. Diese Agenda kann durch Online-Eingaben ergänzt, verbessert, korrigiert werden. So entsteht eine Art Tagesordnung für den Bürgerrat. Ein Bürgerrat erstreckt sich über mehrere Sitzungen, meistens zwischen zwei und fünf Sitzungen. Eine Sitzung dauert zwischen zwei und vier Stunden. Oft beginnen die Treffen mit thematischen Einführungen und Fachvorträgen, wenn dies notwendig ist. Bei abstrakteren Fragestellungen, die eher auf die Erfahrungswelt oder die Einstellungen der Teilnehmenden abzielt, kann auf solche Vorträge auch verzichtet werden. Die Teilnehmenden bilden in der Regel rasch eigene Schwerpunkte entlang der Themenlandkarte. Sie beraten die Fragestellungen und bilden sich eine Meinung zu Vorschlägen und Vorhaben. Am Ende werden die Ergebnisse zusammengeführt und ein gemeinsam getragenes Statement ausgearbeitet. Teilnehmende, die sich dafür bereit erklären, übernehmen die Aufgabe, die Ergebnisse oder Statements vorzustellen.

5. Was passiert nach einem Bürgerratsprozess?

Die Ergebnisse des Bürgerrats werden in Politik und Verwaltung eingespeist. Die Teilnehmenden des Bürgerrats erhalten eine Rückmeldung darüber, was mit ihren Ergebnissen passiert und werden über weitere Schritte und Maßnahmen zur Umsetzung informiert.

6. Welche Faktoren sind für die erfolgreiche Durchführung eines Bürgerratsprozesses wichtig?

  • Die Teilnehmenden eines Bürgerrats sollten die Bevölkerung möglichst gut repräsentieren.
  • Das Thema eines Bürgerrats sollte eine hohe aktuelle Relevanz haben und kein belangloses Randthema sein. Das heißt, es wäre gut, wenn in der Bevölkerung diesbezüglich eine gewisse Betroffenheit zu spüren ist.
  • Bürgerräte machen nur Sinn, wenn sie früh genug in einem Entscheidungsfindungsprozess stattfinden.
  • Wenn zu bestimmten Themen eingeladen wird, ist es von Vorteil, wenn es ein gewisses „Erntegefäß“ gibt (z.B. politische Strategien, Konzepte, etc.), in dem die Ergebnisse aufgefangen werden.
  • Der Entscheidungsspielraum für den jeweiligen Bürgerratsprozess sollte klar kommuniziert werden, damit keine falschen Erwartungshaltungen entstehen.
  • Gut ausgebildete Moderatorinnen und Moderatoren sind wichtig.
  • Eine transparente mediale Berichterstattung vor, während und nach dem gesamten Bürgerratsprozess ist von großer Bedeutung.  

7. Wo werden Bürgerräte sonst noch durchgeführt?

Bisher werden Bürgerräte überall in Deutschland, Irland, Italien (Südtirol), Österreich, Schweiz, Belgien und den USA (wisdom council) durchgeführt.

8. Was sind die Ursprünge des Bürgerrats?

Das Beteiligungsverfahren wurde ursprünglich von Jim Rough (USA) entwickelt und nennt sich im englischen Original „Wisdom Council“. Manfred Hellrigl und das Büro für freiwilliges Engagement und Beteiligung adaptierten den Prozess seit 2006 für Vorarlberg. Die Landesregierung in Baden-Württemberg hat diese Konzeptionen adaptiert und angepasst. Hier firmieren sie auch unter dem Begriff Bürgerdialog oder Bürgerforum. Es wird versucht, Bürgerräte laufend weiter zu entwickeln.

9. Wann ist ein Bürgerrat nicht geeignet?

  • Um Entscheidungen zu treffen
  • Wenn es darum geht, eine möglichst große Zahl an Menschen zu beteiligen
  • Um Bürgerinnen und Bürger über Projekte und Politikinhalte zu informieren
  • Wenn kein Gestaltungsspielraum vorhanden ist bzw. die Ergebnisse schon vorab fixiert sind
  • Wenn es von Seiten der politischen Entscheidungstragenden (Gemeinderat, Landesregierung, …) keine Einigung darüber gibt, ob ein Bürgerrat stattfinden soll  – also bei fehlendem politischen Wille.