Die Bürgerinnen und Bürger beteiligen
Die baden-württembergische Landesregierung meint es ernst mit mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung. Im Rahmen der Politik des Gehörtwerdens von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde 2011 daher das Amt der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung geschaffen. Staatsrätin Gisela Erler ist Mitglied im Kabinett und vertritt dort die Anliegen der Zivilgesellschaft und setzt sich für die konsequente Stärkung der Bürgerbeteiligung ein. Heute ist Bürgerbeteiligung im Land längst unverzichtbar und selbstverständlich geworden, etwa bei der Planung und Durchführung von Infrastrukturvorhaben. Das bestätigt auch eine wissenschaftliche Untersuchung.
Eines der zentralen Beteiligungsinstrumente sind die Bürgerräte, die in Baden-Württemberg meist Bürgerforen genannt werden. Immer mehr Menschen wollen sich heute engagieren, wenn es beispielsweise um die Gestaltung ihres unmittelbaren Sozial- und Lebensraumes geht. Aber auch bei übergeordneten Themen wie der Corona-Pandemie oder der aufwendigen Sanierung eines Opernhauses wollen und sollen sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Ideen, Anregungen, Bedenken und Empfehlungen an die Politik einbringen können.
Die Teilnehmenden an einem Bürgerforum werden per Zufallsauswahl aus der Bürgerschaft rekrutiert. Bei der Auswahl wird darauf geachtet, dass eine heterogene Gruppe zusammenkommt, in der es eine Gleichverteilung nach Alter, Geschlecht und anderen Kriterien wie etwa Migrationshintergrund gibt. Ein Bürgerforum soll nach Möglichkeit die Vielfalt der Gesellschaft abbilden. Die Teilnahme an einem Bürgerforum erfolgt auf Einladung und ist in jedem Fall freiwillig.
Mit wie vielen Menschen ein Bürgerforum besetzt wird, hängt unter anderem vom Themenbereich ab, über den debattiert wird. In der Regel sind es zwischen 20 und 40 zufällig ausgewählte Teilnehmende, es können jederzeit aber auch weniger oder mehr sein. Für das Bürgerforum zur Sanierung des Stuttgarter Opernhauses haben sich beispielsweise 57 Bürgerinnen und Bürger zwischen 19 und 85 Jahren gemeldet.
Ein Bürgerforum endet mit einem Votum der Teilnehmenden, das den politischen Gremien überreicht wird. Es gibt dabei keine Verpflichtung, den Empfehlungen und Ideen zu folgen. In jedem Fall aber spielt das Bürgergutachten im weiteren Planungsprozess eine wichtige Rolle.
Einsatz verschiedener Methoden und Instrumente
Erfolgsmodell Zufallsbürger
Als Methode, um aus vorgegebenen und verfestigten Denkprozessen herauszukommen, hat sich die Einbindung von Zufallsbürgern in das Verfahren bewährt, weil diese neue Sichtweisen und Perspektiven einbringen. Besonders bei Themen, die eine große Zahl von Menschen betreffen, kann es sinnvoll sein, Teilnehmerinnen und Teilnehmer per Losverfahren zu ermitteln. Das Land Baden-Württemberg setzt daher zwischenzeitlich bei vielen Beteiligungsprojekten auf das Erfolgsmodell Zufallsbürger.
Gemeinsam Beteiligungsprozesse entwickeln
Beteiligungsverfahren finden häufig zu umstrittenen Vorhaben statt. Neben den inhaltlichen Streitpunkten sind es oft Verfahrensfragen, die einen Keil zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft treiben. Wie kann es gelingen, dass zumindest das Verfahren Akzeptanz erfährt? In der Praxis hat sich die Einsetzung einer Begleitgruppe bewährt.
Vor dem Dialog einen Fahrplan aufstellen
Die Beteiligung von Menschen an der Planung von Vorhaben lässt sich nicht nach Schema F gestalten. Jeder Fall bringt neue Sachfragen, Akteure, Konfliktlinien und Gestaltungsmöglichkeiten mit sich. Daher ist es empfehlenswert, einen Fahrplan für das Vorgehen vorab zu erarbeiten. Eine gute Methode, informelle Beteiligungsprozesse vorzubereiten, ist das Beteiligungsscoping.