„Der Bürgerrat ist für mich ein kraftvolles Instrument und eine Begegnungsplattform, um zu einer konkreten Frage gesellschaftlicher Relevanz die Vielfalt der Bürgerperspektiven in einen Raum einzuladen. Die Begegnung von Menschen aus ganz unterschiedlichen Bezügen schafft ein enormes Potential an Wissens- und Erfahrungsaustausch. In dem gut bereiteten Rahmen begegnen sich die Teilnehmenden höchst persönlich. Und so fließen wertvolle Alltagsaspekte, aber auch tiefes Alltags-Know-how der Menschen in Planungsprozesse ein, die von Entscheidungen betroffen sind. Zusätzlich sind Bürgerräte eine echte Einladung, Demokratie aktiv mit zu gestalten – ein Erfahrungsraum mit und Übungsort für Demokratiekultur.
Das Instrument der Bürgerräte bietet den kraftvollen Rahmen, Vorhaben, Planungen und Entscheidungen in Bürgernähe besser vorzubereiten. Sie liefern den Entscheidungsträgern Rückhalt und Argumente und erweitern die Perspektive der demokratischen Organe sowohl vertikal, durch den Abgleich mit einer breiteren gesellschaftlichen Realität, als auch horizontal: die Bürgerräte fördern den Fokus auf langzeitig relevante und mehrgenerational tragfähige Lösungen.
Zudem sind die Bürgerräte selber ein Begegnungsort einer lebendigen gesellschaftlichen Mitte, in der unterschiedlichste Meinungen außerhalb der eignen Sozialgemeinschaft zusammenfinden und die Menschen im konstruktiven Miteinander das Gemeinwohl in das Zentrum stellen. Somit sind sie ein Existenzbeweis und ein Übungsort dafür, dass man miteinander reden kann und auf welche Art und Weise man das tut, unabhängig wie unterschiedlich persönliche Meinungen sind: Sie sind ein gesundes Beispiel für lebendige und gelebte Demokratie, welches die gewählten RätInnen als Erfahrung in ihren Alltag mit zurücknehmen.
Bürgerräte leben von der Vielfalt der Perspektiven, unabhängig wie zugespitzt die Fragestellung ist, der sie sich stellen. Deshalb erlebe ich Bürgerräte dann als besonders wertvoll, wenn die Teilnehmenden möglichst heterogen zusammentreffen, in Alter, Geschlecht, kultureller und sozialer Herkunft, etc. Auf diese Vielfalt muss das Format abgestimmt sein, damit alle mitkommen und alle Gehör finden.
Bürgerräte wecken die Potentiale demokratischer Mitverantwortung bei den Beteiligten. Sie wirken deshalb nur konstruktiv, wenn die Entscheidungsträger vorher klar definieren, welcher tatsächliche Entscheidungsspielraum zum jeweiligen Prozess zum Zeitpunkt des Bürgerrates real besteht. Und, wenn sie vorher sicherstellen, wie die Ergebnisse des Bürgerrates in diese Entscheidung einfließen werden und wie die Bürgerräte darüber informiert werden. Wo dies vorher nicht klar ist oder im Nachhinein nicht entsprechend umgesetzt wird, entlarven die Beteiligten den Prozess als „Schein“ und tragen ihre daraus resultierende Enttäuschung als tiefe Politikskepsis fort.
Bürgerräte lösen Verständnis für die Komplexität politischer Planungs- und Entscheidungsprozesse aus. Sie laden die Beteiligten in eine Augenhöhe zum Mitdenken ein. Damit fordern sie aber auch von den Auftraggebern aus Politik und Verwaltung eine Augenhöhe im Prozess selber sowie im Anschluss. Dies gilt es in der Auftragsklärung sicher zu stellen sowie im Prozessdesign zu berücksichtigen: das Aufeinandertreffen von Entscheidungsträgern und Bürgerräten muss von Offenheit, Wertschätzung und dem Willen zum Dialog geprägt sein.
Ist dies der Fall eröffnen Bürgerräte einen konstruktiven und im Höchstmaß lösungsorientierten Dialograum zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern, der kommunale und regionale Zukunftsfähigkeit dadurch sichert, dass das Gemeinwohl als Gut der gemeinsamen Verantwortung aller erlebt und weiterentwickelt wird.“